Trend: So hilft uns Künstliche Intelligenz im Alltag
„Du hast gerade 430 Kilokalorien verbraucht“, sagt die Fitness-App. Das muss gleich auf Instagram gepostet werden – aber mit welchem Filter? Erst mal googeln! Künstliche Intelligenz (auch KI) ist der Versuch, menschliches Denken und Lernen auf Maschinen und Computer zu übertragen. Mithilfe von KI können diese aus Erfahrung lernen und selbstständig Aufgaben bewältigen. Eva Eggeling, Leiterin des Geschäftsbereichs Visual Computing bei Fraunhofer Austria Research, erzählt mehr.
Frau Dr. Eggeling, von der Sprachanwendung bis zur Fitness-App: Wo überall begegnet uns Künstliche Intelligenz im Alltag?
Eva Eggeling: Das beginnt schon am Morgen, wenn Sie Ihr Smartphone in die Hand nehmen und es via Gesichtserkennung entsperren. Weiter geht es bei der Verwendung von Instagram oder Snapchat: Alle möglichen Tools zur Bildverarbeitung und Gesichtsfilter funktionieren mit Künstlicher Intelligenz. Im Lauf des Tages werden Sie auch mal die Google-Suche verwenden. Die Reihenfolge, in der die Suchergebnisse angezeigt werden, ist durch einen Algorithmus entstanden. Auch beim Sporteln mit einer Fitness-App begegnet Ihnen KI: Damit wird etwa ein Weg erfasst, die Route für den nächsten Trainingslauf vorgeschlagen oder der Kalorienverbrauch geschätzt.
Und wer am Feierabend Serien streamt, hat wieder mit Künstlicher Intelligenz zu tun. Netflix ist auf diesem Gebiet sehr fortschrittlich: Es misst nicht nur, was Sie sehen, sondern auch, wie oft Sie pausieren oder zurück- und vorspulen. Wie das angewendet wird, zeigt die Serie „House of Cards“: Je nach Nutzerprofil bekamen die Userinnen und User unterschiedliche Trailer ausgespielt. Ansonsten begegnet uns KI zum Beispiel auch bei Navigationssystemen – damit lassen sich besser und schneller digitale Karten erstellen. Aber auch bei der Spracherkennung findet sie Anwendung.
Videotipp: So funktioniert Künstliche Intelligenz
Welche dieser Anwendungen empfinden Sie als besonders hilfreich?
Eva Eggeling: Für den täglichen Gebrauch ist sicherlich die Spracherkennung praktisch und sinnvoll, zum Beispiel um dem Navigationsgerät im Auto die Zieladresse mitzuteilen.
Welche Bereiche können besonders von Künstlicher Intelligenz profitieren und warum?
Eva Eggeling: Aufgrund der aktuellen Situation profitiert sicher der Online-Handel von Künstlicher Intelligenz. Insbesondere für Unternehmen, die sonst digital nicht unbedingt vertreten sind, ergeben sich hier neue Möglichkeiten. Auch die Mobilität zieht ihren Nutzen daraus, besonders in großen Städten: Hier schätzen es die Fahrgäste sehr, wenn sie beispielsweise alle Verkehrsmittel übersichtlich in einer App sehen können. Auch die Bereiche Medizin und Fitness sind nicht außer Acht zu lassen – Sportfans stehen zahlreiche Fitness-Apps offen und in der Medizin wird KI mit großem Erfolg zum Beispiel in der Tumorerkennung eingesetzt.
Welche Chancen bringt Künstliche Intelligenz im Alltag mit sich – und welche Gefahren sind damit verbunden?
Eva Eggeling: Vor allem für Kundinnen und Kunden des Online-Handels ergeben sich viele Chancen. Ohne großen Aufwand zu betreiben bekommt man Vorschläge – von Kleidung über Elektrogeräte bis zu Kosmetik. Bin ich etwa auf der Suche nach einem bestimmten Produkt, sucht mein Smartphone für mich das günstigste Angebot heraus. Was hier jedoch zu beachten ist: Ich muss immer noch selbst die Entscheidung treffen und darf nicht blind auf KI vertrauen. Das gilt aber natürlich nicht nur für Online-Einkäufe.
Kontrollverlust, Technikdominanz, Menschenersatz: Welche Gefahren sind mit Künstlicher Intelligenz verbunden?
Eva Eggeling: Vorab möchte ich sagen: Ich glaube nicht, dass Roboter die Weltherrschaft übernehmen werden. Doch eine Gefahr besteht sicher in unserem Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Wir müssen diese immer als Assistenz und Unterstützung des Menschen betrachten. Hier gilt es, Bewusstsein zu entwickeln: Was erledige ich selbst und bei welchen Tätigkeiten kann mich KI unterstützen?
Dazu kommt: Big Data ist nicht die Antwort auf alle Fragen. Nur weil man viele Daten hat, bekommt man nicht immer die besten Ergebnisse. Die Frage ist auch, wie man zu diesen Daten kommt und ob deren Qualität ausreicht. So kann es beispielsweise passieren, dass eine Bilderkennungssoftware gegenüber manchen Personengruppen diskriminierend ist, weil sie nicht mit genügend unterschiedlichen Daten gefüttert wurde. Hier müssen wir die Künstliche Intelligenz auch durch eine ethische Brille betrachten.
Wie müssen autonome Systeme gestaltet sein, damit sich die Menschen mit ihnen wohl und sicher fühlen?
Eva Eggeling: Autonome Systeme dürfen uns Menschen nicht das Gefühl geben, ersetzbar zu sein. KI kann nicht mit menschlicher Intelligenz gleichgesetzt werden. Beispielsweise kann keine Maschine so intuitiv reagieren wie wir. Autonome Systeme müssen so gestaltet sein, dass sie uns entlasten – so können wir unsere Intelligenz und Energie für wichtige Entscheidungen aufsparen.
Laut der österreichischen KI-Strategie kann Künstliche Intelligenz die Produktivität und damit die Wertschöpfung in vielen Bereichen wie der Land- und Forstwirtschaft steigern. Wie beurteilen Sie das?
Eva Eggeling: Vor allem in der Land- und Forstwirtschaft hat Künstliche Intelligenz großes Potenzial. Beispielsweise wurde eine Methode zur systematischen Fischerkennung unter Wasser entwickelt. Dadurch kann der Bestand von Arten festgestellt werden, um etwa Renaturierungsmaßnahmen für bedrohte Tierarten zu bewerten. Auch in der Produktion von Gütern und deren Verteilung gibt es Riesenpotenzial. Im Finanz- und Versicherungsbereich sehe ich das etwas problematischer, vor allem beim Datenschutz. Die wenigsten werden sich wünschen, dass ihre Versicherung über die persönliche Krankengeschichte Bescheid weiß.
Wo geht die Reise künftig hin? Welche Innovationen, aber auch Herausforderungen erwarten uns?
Eva Eggeling: Die Einsatzgebiete von KI werden sich auf jeden Fall erweitern. Dadurch können viele Tätigkeiten sicherer und leichter werden. Die Herausforderung dabei ist: Die Bevölkerung muss mitwachsen. Das beginnt schon in der Schule – dort muss digitales Bewusstsein vermittelt werden. Man kann beispielsweise beim Mathematikunterricht ansetzen, indem man diesen angewandter gestaltet. Dabei geht es nicht zwingend darum, eine Programmiersprache zu lernen. Vielmehr muss algorithmisches Denken erlernt werden. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen sollten im Bereich der Digitalisierung geschult werden.
Über Eva Eggeling
Dr. Eva Eggeling leitet seit Juli 2008 den Geschäftsbereich Visual Computing bei Fraunhofer Austria in Graz sowie das Innovationszentrum Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI4LIFE) in Klagenfurt. Die Mathematikerin hat an Universitäten in Bonn, Köln und Pittsburgh studiert.