Smart Living und Innovationen 31.10.2019

Wasserkraft: Ein digitaler Zwilling kommt selten allein

VERBUND: Ein digitaler Zwilling kommt selten allein

flow_Herr Engelke, Sie sind Maschinenbautechniker bei VERBUND und verantworten aktuell das Projekt „Digital Twin“ im steirischen Kraftwerk Rabenstein. Um was geht es da genau?

Wolfgang Engelke_
Ein digitaler Zwilling ist quasi eine virtuelle Kopie eines realen Bauteils. Damit ist es möglich, die Lebensdauer – zum Beispiel einer Turbine – online zu erfassen. Aufgrund von laufenden Messungen im Betrieb kann auf Knopfdruck deren Restlebensdauer dargestellt werden. Ich weiß also genau, wie lange ein Bauteil noch funktionstüchtig ist.

flow_Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich durch diese Technologie?

Engelke_
Ungeplante Kraftwerksausfälle sind schon lange Zeit ein großes Thema für uns. Denn sobald ein Bauteil demontiert werden muss, steht der Betrieb still. Mit dem digitalen Zwilling können wir ein sogenanntes Real Time Condition Monitoring durchführen. Inspektionen oder Wartungen werden so besser getaktet. Es wird also kein Bauteil frühzeitig ausgebaut, wenn er noch eine hohe Restlebensdauer hat.

flow_Gibt es noch weitere Vorteile des digitalen Zwillings?

Engelke_Ändert sich die Betriebsweise eines Kraftwerks, hat das auch Einflüsse auf die Bauteile. Jetzt können wir ihre Beanspruchungen in den digitalen Zwilling einspeisen, um zu berechnen, welche Auswirkungen ein schärferer Betrieb auf die Komponenten hat. 
 
Wolfgang Engelke spricht über den Digital Twin von VERBUND.

Wolfgang Engelke

„Der digitale Zwilling hilft uns dabei, exaktere Vorhersagen zu treffen, wie sich bestimmte Betriebsweisen auf die Restlebensdauer von hochbeanspruchten Bauteilen auswirken.“
flow_Wie entwickelt sich das Projekt „Digital Twin“?
 
Engelke_ Im Pilotkraftwerk Rabenstein wurde bereits ein digitaler Zwilling eines Laufschaufel-Verstellhebels einer Kaplan-Rohrturbine angefertigt. Diesen haben wir ausgewählt, da er relativ einfach zu modellieren ist. Außerdem hat er definierte Beanspruchungen, die durch die mitlaufende Messung gut dokumentiert werden können. Im nächsten Schritt soll der Zwilling auf weitere Bauteile umgelegt werden. Unsere Zukunftsvision ist, dass der Meister im Kraftwerk zum PC geht und dort schnell die Lebensdauer aller Komponenten einsehen kann.
Wolfgang Engelke und Teresa Alberts, Geschäftsführerin von ITficient, präsentieren den digitalen Zwilling.
Hydropower 4.0: Wolfgang Engelke und Teresa Alberts, die Schweizer Geschäftsführerin des Projekt-Kooperationspartners ITficient präsentierten den digitalen Zwilling beim VGB-Workshop zur Digitalisierung im Kraftwerk Rabenstein. © VERBUND
flow_Wie könnten Wasserkraftwerke in der Zukunft aussehen? Ist es möglich, dass bald keine Menschen mehr benötigt werden?

Engelke_Wir werden auch in 100 Jahren noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Egal, ob beim Reparieren von Bauteilen oder in der Kraftwerksplanung – es werden immer Leute mit Fachkenntnissen benötigt, die diese auch umsetzen können. Die Digitalisierung ist ein sinnvolles Werkzeug, mit dem tägliche Aufgaben erleichtert werden. Wie der PC, der unseren Alltag verändert hat, werden auch andere digitale Technologien die Aufgaben in der Kraftwerkswelt verändern. Aber sie können Menschen nicht ersetzen. 
 
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Blick in die Zukunft: Das digitale VERBUND-Wasserkraftwerk in Rabenstein
flow_Welche Rolle spielt der digitale Zwilling bei der Gestaltung der Energiezukunft?

Engelke_Mit der Digitalisierung werden die Anlagen sicherer und planbarer. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Verfügbarkeit von Kraftwerken. Je weniger Kraftwerksausfälle es gibt und je sicherer die Stromversorgung im Land ist, desto besser ist das für die Bevölkerung und die Volkswirtschaft. Endverbraucherinnen und -verbraucher profitieren also von einer gesicherten Stromversorgung aus erneuerbaren Energiequellen.

flow_Vielen Dank für das Gespräch!
 

Zur Person 
DI Wolfgang Engelke ist Projektkoordinator und Maschinenbautechniker im Stahlwasserbau bei VERBUND. Der 48-jährige Niederösterreicher studierte Maschinenbau an der TU Wien. Bevor er 2006 zu VERBUND kam, arbeitete er in der Automobilbranche, sowie der Flugzeugindustrie. 

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „LET´S TALK – Expertinnen und Experten von VERBUND im Gespräch“. Weitere Beiträge findet ihr im flow-Blog.

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