Nachhaltigkeit und Energiewende 03.08.2017

SAMMLUNG VERBUND: Frauenpower im mumok

SAMMLUNG VERBUND: Frauenpower im mumok

Eine Frau als Bügelbrett, ein zugeschnürtes Gesicht oder Phallussymbole als Hochzeitsgäste: Betritt man die SAMMLUNG VERBUND, darf man nicht zimperlich sein. Denn es braucht starke Bilder, um auf Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Bis September ist im Museum für Moderne Kunst in Wien ein wichtiges Phänomen der 1970er-Jahre zu erleben: der Aufbruch von Frauen in die männerdominierte Kunstwelt. Da diese wichtige künstlerische Bewegung in der Kunstgeschichte bisher zu wenig Beachtung fand, prägte Sammlungsdirektorin Gabriele Schor den Begriff „Feministische Avantgarde“, um die Pionierleistung der Künstlerinnen hervorzuheben. Erstmals schufen sie kollektiv ein selbstbestimmtes Bild der Frau. Werft mit uns einen Blick auf die vier Ausstellungsbereiche:

Mutter, Hausfrau und Ehefrau

Links: "Hausfrauen-Küchenschürze" von Birgit Jürgenssen aus dem Jahr 1975. Die Künstlerin schnallt sich einen Ofen um ihren Körper. Rechts: "Bügeltraum" von Karin Mack, 1975. Die Künstlerin liegt auf einem Bügelbrett.
Links: Birgit Jürgenssen, Hausfrauen-Küchenschürze, 1975, Detail S/W-Fotografie.                                                                                              Rechts: Katrin Mack, Bügeltraum, 1975, 4 S/W-Fotografien, je 18 x 24 cm.

Wusstet ihr, dass Frauen und Männer in Österreich erst 1975 rechtlich gleichgestellt wurden? Davor durfte eine Ehefrau nicht mal ohne Zustimmung ihres Gatten arbeiten. Die Reduzierung auf Mutter, Haus- und Ehefrau ist daher bei vielen Künstlerinnen Thema. Ein Beispiel: Birgit Jürgenssen. Die Wienerin rückte die Fesseln des Alltags in den Mittelpunkt ihres Schaffens. Für die schwarz-weiße Fotografie „Hausfrauen-Küchenschürze“ (1975) schnallte sich Jürgenssen einen Ofen um ihren Körper. Darin ist der sprichwörtliche „Braten in der „Röhre“ zu sehen. Auch ihre Landsfrau Karin Mack präsentierte den täglichen Trott in künstlerischem Gewand. Im „Bügeltraum“ (1975) wird das Bügelbrett zum Opferaltar. Die Hausfrau gleitet darauf unwirklich schön und verschattet ins Jenseits.

Normativität der Schönheit

Links: "Change" von Ewa Partum, 1975. Die Künstlerin ließ sich eine Gesichtshälfte alt schminken. Rechts: "Body Halves" von Rita Myers aus dem Jahr 1971. Die Künstlerin spiegelte ihre "schönere" Körperhälfte.
Links: Ewa Partum, Change, 1974, Fotodruck auf Leinwand, mit schwarzem Stift übermalt, 72 x 50 cm.                                                          Rechts: Rita Myers, Body Halves, 1971, 4 S/W-Fotografien auf Karton montiert, je 25,4 x 20,3 cm.

Frauen müssen vor allem eins: schön sein und damit jung. Denn wer altert, ist hässlich. Ein Blick in die bunte Welt der Medien zeigt: Diese Klischees sind nach wie vor in unserer Gesellschaft verankert. Bereits in den 1970ern machten sie viele Künstlerinnen zum Thema. So ließ sich etwa die polnische Künstlerin Eva Partum in ihrer Arbeit „Change“ (1974) von einer Maskenbildnerin eine Gesichtshälfte alt schminken. Später weitete sie dieses Konzept in einer Performance auf eine ganze Körperhälfte aus. Was ist somit Schönheit? Diese Frage beschäftigte auch die US-Amerikanerin Rita Myers. Sie stellte fest, dass der Körper in der Regel eine schönere Hälfte besitzt. Für die Fotografie „Body Halves“ (1971) spiegelte sie ihre Schokoladenseite. Ein perfekter Körper, der bei den Betrachterinnen und Betrachtern dennoch einen bizarren Eindruck hinterlässt.

Rollenspiel, Maskerade und Parodie

Links: In der Serie "Bus Riders" (1976/2005) verwandelt sich Rita Sherman unter anderem in einen jungen Mann. Rechts: Lynn Hershman Leeson kreierte mit "Roberta Breitmore" eine fiktive Person.
Links: Cindy Sherman, Untitled (Bus Riders II), 1976/2005, S/W-Fotografie aus der 20-teiligen Serie.                                                              Rechts: Lynn Hershman Leeson, Roberta Construction Chart #1, 1975, C-Print.

Aus einer kleinen Frau wird ein stattlicher König, aus einem biederen Mauerblümchen ein verführerisches Showgirl. Maskeraden erlauben es, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Sie geben aber auch die Chance, Stereotype aufzubrechen. Diese nutzte Cindy Sherman. In ihrer Serie „Bus Riders“ (1976/2005) schlüpfte die US-Künstlerin in die Rolle von 35 Fahrgästen und fotografierte sich per Selbstauslöser. Als junger Mann hält sie die Beine weit gespreizt, als erschöpfte Hausfrau sitzt sie in enger Haltung. Eine Sozialstudie, die mit Gendermerkmalen spielt. Einen anderen Zugang wählte Lynn Hershman Leeson (1975). Mit „Roberta Breitmore“ kreierte sie eine fiktive Person – als die sie Ausstellungen besuchte, zur Arbeit ging und Männer datete. Ihre komplexe Verwandlung perfektionierte sie über Jahre hinweg.

Weibliche Sexualität versus Verdinglichung

Links: "Tapp und Tast Kino" von VALIE EXPORT aus dem Jahr 1968. Die Künstlerin trägt eine tragbare Theaterbühne. Rechts: "Zärtlicher Tanz" von Renate Bertlmann aus dem Jahr 1976.
Links: VALIE EXPORT, Tapp und Tastkino, 1968, Video, S/W, Ton.                                                                                                                  Rechts: Renate Bertlmann, Zärtlicher Tanz, 1976, S/W-Fotografie.

Die Frau als Objekt der Begierde? Oder als Subjekt mit eigenen sexuellen Bedürfnissen? Diese Perspektiven stehen im Zentrum des vierten Themenbereichs der Ausstellung. Wegweisendes schuf hier die Linzerin VALIE EXPORT. Für das „Tapp und Tastkino“ trug sie eine tragbare Theaterbühne. Passanten wurden aufgefordert das Kino zu besuchen und hinter den Vorhang zu greifen, in dem EXPORTS nackte Brüste verborgen waren. Eine Aktion, mit der sie im Jahr 1968 auf die Verdinglichung des weiblichen Körpers durch den kommerziellen Film aufmerksam machte. Ebenfalls legendär: Die Arbeiten der Wienerin Renate Bertlmann. Auch ihre Werke provozieren mit einer Brise Humor. So zeigt die Fotoserie „Zärtliche Pantomime“ (1976) die Künstlerin in intimer Beschäftigung mit sich selbst. Für ihr 50-jähriges Schaffen erhielt Bertlmann 2017 den Großen Österreichischen Staatspreis.

Neugierig geworden? Dann macht euch doch auf ins Museumsquartier und besucht die Ausstellung – noch bis 3. September 2017 im museum moderner kunst stiftung ludwig wien (mumok).

WOMAN
FEMINISTISCHE AVANTGARDE DER 1970ER-JAHRE aus der SAMMLUNG VERBUND

Öffnungszeiten:
• Montag, 14:00 bis 19:00 Uhr
• Dienstag bis Sonntag, 10:00 bis 19:00 Uhr
• Donnerstag, 10:00 bis 21:00 Uhr

Künstlerinnen Gespräch:
Donnerstag, 31. August 2017, um 19:00 Uhr im mumok
Gabriele Schor (Gründungsdirektorin der SAMMLUNG VERBUND) und Eva Badura-Triska (Kuratorin mumok) im Gespräch mit Margot Pilz und Renate Bertlmann

Führung durch die Ausstellung:
Freitag, 1. September 2017, um 13:00 Uhr im mumok
Gabriele Schor (Gründungsdirektorin der SAMMLUNG VERBUND)

Kuratorinnen Führung:
Sonntag, 3. September 2017, um 17:30 Uhr im mumok
Gabriele Schor (Gründungsdirektorin der SAMMLUNG VERBUND) und Eva Badura-Triska (Kuratorin mumok)

Weitere Informationen findet ihr hier: WOMAN. Viel Spaß bei der Ausstellung!

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©Titelfotos:
• Alexis Hunter/Bildrecht, Wien,2017/Courtesy of Richard Saltoun, London/SAMMLUNG VERBUND, Wien
• Penny Slinger/Courtesy of Gallery Broadway 1602, Uptown & Harlem, New York/SAMMLUNG VERBUND, Wien

©Weitere Fotos:
• Estate Birgit Jürgenssen / Bildrecht, Wien, 2017 / SAMMLUNG VERBUND, Wien
• 
Karin Mack / Bildrecht, Wien, 2017 / SAMMLUNG VERBUND, Wien

• Ewa Partum / Courtesy of Galerie M+R Fricke, Berlin / Bildrecht, Wien, 2017 / SAMMLUNG VERBUND, Wien
• Rita Myers / SAMMLUNG VERBUND, Wien

• Cindy Sherman, New York. Courtesy of Metro Pictures, New York / SAMMLUNG VERBUND, Wien
• Lynn Hershman Leeson / SAMMLUNG VERBUND, Wien
• VALIE EXPORT / Bildrecht, Wien, 2017 / Courtesy of Galerie Charim, Wien / SAMMLUNG VERBUND, Wien
• Renate Bertlmann / Bildrecht, Wien, 2017 / SAMMLUNG VERBUND, Wien