Nachhaltigkeit und Energiewende 23.06.2017

„Die Traisen war ja eigentlich nie hier.“

„Die Traisen war ja eigentlich nie hier.“ - VERBUND

Mathias Jungwirth im Interview mit dem ORF
Die Traisen ist Niederösterreichs längster Fluss und musste eine Vielzahl von harten Regulierungen verkraften. Einen besonders tiefgehenden Eingriff stellte die Verlegung der Mündung beim Bau des Donaukraftwerks Altenwörth 1976 dar. Die Prioritäten der Planung waren zu dieser Zeit Hochwasserschutz, land- und forstwirtschaftliche Nutzung, Schifffahrt sowie natürlich Stromerzeugung. Ökologie oder Fischpassierbarkeit entsprachen  dem  damaligen Stand der Technik, freilich im Rahmen einer noch völlig anderen  gesellschaftlichen Werteskala als heute. 

Schon vor 20 Jahren begann Universitätsprofessor Mathias Jungwirth, mittlerweile emeritierter Leiter des Institutes für Hydrobiologie und Gewässermanagement an der Universität für Bodenkultur in Wien, Ideen für eine komplette Erneuerung des Unterlaufes und der Mündung der Traisen zu wälzen. Der Fluss war völlig neu angelegt und hart verbaut. „Die Traisen lag ursprünglich gar nicht hier. Sie wurde künstlich in einen neuen Flusslauf- man muss sagen, gezwängt“, so Jungwirth. Die  Monotonie, Strukturlosigkeit und fehlende Vernetzung der Traisen resultierten in einer deutlich sichtbaren  Artenarmut des Gewässers und seiner begleitenden Flusslandschaft.
Luftbild vom Verlauf des neuen Traisen Flussbettes
Die Vision war, den neuen Fluss aus seinem Bett zu befreien, ihm  zu gestatten, sich selbst einen Weg durch die Au zu suchen und einen neuen, dynamischen Mündungsbereich zu entwickeln. Mit VERBUND fand das Projektteam den richtigen Partner. 2008 war auch die Finanzierung geklärt. Im Bestreben, für die  Donau als schwer verbautem Fluss das sogenannte „gute ökologische Potenzial“ wieder zu erreichen, ist die  Sanierung von Zuflüssen eine Schlüsselmaßnahme. Als Projektpartner unterstützen neben den Grundbesitzern nicht nur Bund und Land Niederösterreich, sondern vor allem die EU aus dem LIFE+ Fonds das Projekt. Auch der Niederösterreichische Landesfischereiverband, der Landschaftsfond und viadonau beteiligten sich an der Finanzierung des Vorhabens. Schließlich wurde daraus Österreichs größtes Renaturierungs-Projekt und eines der größten LIFE-Projekte in der EU.

Flotte Fische und fidele Feuerlibellen

Mit jedem Schritt tiefer in die Au gerät der Professor mehr ins Schwärmen. „In den neuen Mäandern und Nebengewässern tummeln sich Fische und andere Wasserlebewesen. Statt früher zwischen mageren sechs und maximal 15 Fischarten sind es nun schon belegte 25. Frauennerfling und Zingel sind (wieder) da,  zahlreiche Wildkarpfen ziehen zum Laichen in die neue Traisen. Rasch überflossene Furten und weiträumige flache Schotterbänke sind ideale Laichareale und Kinderstuben für Kieslaicher wie Nase, Barbe und Huchen“. Als faszinierend beschreibt der Fischexperte den Erfolg des Traisenprojektes im Hinblick auf  die Artenvielfalt und vor allem das Aufkommen von Jungfischen, deren erfolgreiche Weiterentwicklung freilich durch das massenhafte Auftreten von  Kormoranen limitiert ist. Aber auch die Amphibien-, Reptilien- und Insektenwelt sollte nicht unerwähnt bleiben. So bietet das Projektgebiet z.B. für Feuerlibelle, Gottesanbeterin (Insekt des Jahres 2017), Osterluzeifalter und viele andere Arten einen vielfältigen Lebensraum. 

Die Au: lieber weich und jung als alt und hart

Dynamische Auen  natürlicher Flusslandschaften zeigen ausgewogene Anteile  von Altbeständen, jungen Bäumen und sogenannter Pioniervegetation. Grundvoraussetzung für den Artenreichtum sind regelmäßig wiederkehrende Umlagerungen durch Hochwässer, verbunden mit Erosionsprozessen, Anlandungen und sich stätig ändernden Vernetzungen. Um dies an der Traisen zu gewährleisten, wurde das flussbegleitende Augebiet in einem Korridor mit einer Breite von rund 300 Metern abgesenkt. Dabei erfolgte die Entnahme von rund 1,9 Millionen Tonnen Kies  aus der Au. Das ehemalige Kampfgebiet an der Donau wurde mühsam und penibel von Relikten des 2. Weltkriegs gesäubert. Das gewonnene Material wurde zum Teil verschifft und teilweise unterhalb des Kraftwerks Freudenau gegen die dortige Eintiefung der Donau zurückgegeben. So entstand an der Traisen eine feuchte Aulandschaft mit üppiger Tier- und Pflanzenwelt.

Bei den Bauarbeiten wurden seitens der ökologischen Bauaufsicht „Raubäume“ entlang der Traisenufer verankert. Als fleißiger „Revitalisierungshelfer“ entpuppt sich bald der Biber: mit den von ihm gefällten Bäumen bereitet er zwar der Forstwirtschaft Kummer, zugleich  aber durch das viele „Totholz“ den Lebensraum im Wasser für andere Arten auf. Totholz bieten einerseits Schutz für Jung- und Kleinfische, andererseits aber auch Ansitz und Jagdmöglichkeiten z.B. für den Eisvogel, der seine Brutplätze an steilen Abbruchufern findet. Neue Vogelarten im Gebiet sind Bienenfresser und Graugänse, regelmäßig zu sichten sind unter anderem auch  Seeadler. 

Die Traisen „impft“ die Donau 

Die Donau selbst erholt sich nur langsam von der harten Verbauung durch den Hochwasserschutz des 19. Jahrhunderts und den Kraftwerksbau. Innovative Maßnahmen im Zuge eines modernen Kraftwerksbetriebes vermögen  hier einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des guten ökologischen Potenzials zu leisten. Das Traisen-Projekt ist diesbezüglich ein hervorragendes Beispiel. In ihrer neuen Funktion als wiederhergestelltes Fluss-Auen- Ökosystem wird die Traisen den Lebensraum der Donau buchstäblich befruchten. Donaufische wandern zur Vermehrung die Traisen hinauf, abwandernde Jungfische werden verstärkt auch wieder den Strom besiedeln.
Wer hätte vor 40 Jahren gedacht, dass die künstliche Traisen - einmal rückgebaut - der Donau einen ökologischen Schub geben könnte. Heute sammeln künftige Ökologen an der Traisen Erfahrung, welche Maßnahmen bei der Revitalisierung von Flusslandschaften optimalen Erfolg versprechen und wie ein derartiges Projekt von der Bevölkerung angenommen wird.  Rund vierzig wissenschaftliche Beiträge sind alleine an der BOKU zu diesem Thema bereits entstanden.
 
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