Die Vision war, den neuen Fluss aus seinem Bett zu befreien, ihm zu gestatten, sich selbst einen Weg durch die Au zu suchen und einen neuen, dynamischen Mündungsbereich zu entwickeln. Mit VERBUND fand das Projektteam den richtigen Partner. 2008 war auch die Finanzierung geklärt. Im Bestreben, für die Donau als schwer verbautem Fluss das sogenannte „gute ökologische Potenzial“ wieder zu erreichen, ist die Sanierung von Zuflüssen eine Schlüsselmaßnahme. Als Projektpartner unterstützen neben den Grundbesitzern nicht nur Bund und Land Niederösterreich, sondern vor allem die EU aus dem
LIFE+ Fonds das Projekt. Auch der Niederösterreichische Landesfischereiverband, der Landschaftsfond und viadonau beteiligten sich an der Finanzierung des Vorhabens. Schließlich wurde daraus
Österreichs größtes Renaturierungs-Projekt und eines der größten LIFE-Projekte in der EU.
Flotte Fische und fidele Feuerlibellen
Mit jedem Schritt tiefer in die Au gerät der Professor mehr ins Schwärmen. „In den neuen Mäandern und Nebengewässern tummeln sich Fische und andere Wasserlebewesen. Statt früher zwischen mageren sechs und maximal 15 Fischarten sind es nun schon belegte 25. Frauennerfling und Zingel sind (wieder) da, zahlreiche Wildkarpfen ziehen zum Laichen in die neue Traisen. Rasch überflossene Furten und weiträumige flache Schotterbänke sind ideale Laichareale und Kinderstuben für Kieslaicher wie Nase, Barbe und Huchen“. Als faszinierend beschreibt der Fischexperte den Erfolg des Traisenprojektes im Hinblick auf die Artenvielfalt und vor allem das Aufkommen von Jungfischen, deren erfolgreiche Weiterentwicklung freilich durch das massenhafte Auftreten von Kormoranen limitiert ist. Aber auch die Amphibien-, Reptilien- und Insektenwelt sollte nicht unerwähnt bleiben. So bietet das Projektgebiet z.B. für Feuerlibelle, Gottesanbeterin (
Insekt des Jahres 2017), Osterluzeifalter und viele andere Arten einen vielfältigen Lebensraum.
Die Au: lieber weich und jung als alt und hart
Dynamische Auen natürlicher Flusslandschaften zeigen ausgewogene Anteile von Altbeständen, jungen Bäumen und sogenannter Pioniervegetation. Grundvoraussetzung für den Artenreichtum sind regelmäßig wiederkehrende Umlagerungen durch Hochwässer, verbunden mit Erosionsprozessen, Anlandungen und sich stätig ändernden Vernetzungen. Um dies an der Traisen zu gewährleisten, wurde das flussbegleitende Augebiet in einem Korridor mit einer Breite von rund 300 Metern abgesenkt. Dabei erfolgte die Entnahme von rund 1,9 Millionen Tonnen Kies aus der Au. Das ehemalige Kampfgebiet an der Donau wurde mühsam und penibel von
Relikten des 2. Weltkriegs gesäubert. Das gewonnene Material wurde zum Teil verschifft und teilweise unterhalb des Kraftwerks Freudenau gegen die dortige Eintiefung der Donau zurückgegeben. So entstand an der Traisen eine feuchte Aulandschaft mit üppiger Tier- und Pflanzenwelt.
Bei den Bauarbeiten wurden seitens der ökologischen Bauaufsicht „Raubäume“ entlang der Traisenufer verankert. Als fleißiger „Revitalisierungshelfer“ entpuppt sich bald der Biber: mit den von ihm gefällten Bäumen bereitet er zwar der Forstwirtschaft Kummer, zugleich aber durch das viele „Totholz“ den Lebensraum im Wasser für andere Arten auf. Totholz bieten einerseits Schutz für Jung- und Kleinfische, andererseits aber auch Ansitz und Jagdmöglichkeiten z.B. für den Eisvogel, der seine Brutplätze an steilen Abbruchufern findet. Neue Vogelarten im Gebiet sind Bienenfresser und Graugänse, regelmäßig zu sichten sind unter anderem auch Seeadler.
Die Traisen „impft“ die Donau
Die Donau selbst erholt sich nur langsam von der harten Verbauung durch den Hochwasserschutz des 19. Jahrhunderts und den Kraftwerksbau. Innovative Maßnahmen im Zuge eines modernen Kraftwerksbetriebes vermögen hier einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des guten ökologischen Potenzials zu leisten. Das Traisen-Projekt ist diesbezüglich ein hervorragendes Beispiel. In ihrer neuen Funktion als wiederhergestelltes Fluss-Auen- Ökosystem wird die Traisen den Lebensraum der Donau buchstäblich befruchten. Donaufische wandern zur Vermehrung die Traisen hinauf, abwandernde Jungfische werden verstärkt auch wieder den Strom besiedeln.
Wer hätte vor 40 Jahren gedacht, dass die künstliche Traisen - einmal rückgebaut - der Donau einen ökologischen Schub geben könnte. Heute sammeln künftige Ökologen an der Traisen Erfahrung, welche Maßnahmen bei der Revitalisierung von Flusslandschaften optimalen Erfolg versprechen und wie ein derartiges Projekt von der Bevölkerung angenommen wird. Rund vierzig wissenschaftliche Beiträge sind alleine an der BOKU zu diesem Thema bereits entstanden.